Die beste und effektivste Lernmethode – Active Recall erklärt

Während meiner Schulzeit habe ich mich immer wieder gefragt, warum mir das Lernen für Tests und Schularbeiten im Vergleich zu anderen so leicht fällt. (Ich weiß, weird flex – sorry dafür) Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, eine (zweiteilige) Antwort darauf gefunden zu haben. Erstens merke ich mir Dinge – oder zumindest Dinge, die mich interessieren – spielerisch, weshalb ich oft fast gar nicht wirklich lernen musste. Der zweite Aspekt ist aber noch wichtiger: Ich habe eine der zwei wissenschaftlich gesehen besten Lernmethoden bereits seit dem Start meiner Schulzeit unbewusst angewandt und hatte somit einen massiven Vorteil in der Prüfungsvorbereitung. Diese Methode trägt den Namen “Active Recall”.

Was ist “Active Recall”?

Vereinfacht gesagt ist Active Recall einfach das bewusste Abrufen von bestimmten, bereits gelernten Wissen aus unserem Gedächtnis. Direkt übersetzt bedeutet es ja auch “aktives Abrufen”. Man kann es sich aber auch so vorstellen, dass man sich im jeweiligen Stoffgebiet quasi selbst testet.

Sich selbst Testen

Durch die Ereignisse der letzten zwei Jahre stellen sich bei mir die Haare auf, wenn ich “selbst testen” nur höre. Hier geht es aber Gott sei Dank nicht um die Pandemie, sondern ums Lernen – yay.

Spaß beiseite, das Konzept des Selbsttests in der Prüfungsvorbereitung ist einfach und genial zugleich. Dabei überprüft man gleichzeitig seine Fähigkeiten in bestimmten Themen und seine tatsächliche Prüfungsleistung, da diese oft von den eigentlichen Kompetenzen des Geprüften abweichen.

Wenn ich für eine Prüfung lerne, dann gehe ich den Stoff nach der Reihe durch und lese immer kleine Teile, am besten einen Absatz, am Stück. Danach versuche ich, alles wesentliche aus dem Artikel aus meinem Gedächtnis zu holen und aktiv wiederzugeben. Hierbei spreche ich das gelerntes Wissen wirklich laut aus. Bei dieser Lernweise ist es außerdem wichtig, das Buch entweder zu schließen oder wegzuschauen, da man sonst abgelenkt ist oder denkt, man wüsste Dinge, die man in Wahrheit einfach im selben Moment liest. Wenn es mir nicht gelingt, alles wiederzugeben, schaue ich nach oder lese den Artikel noch einmal. Das mache ich, bis ich das Gefühl habe, diesen Teil gefestigt zu haben. Am Ende eines Überkapitels gehe ich das ganze Kapitel noch einmal im Kopf durch. Manchmal stelle ich mir auch selbst Fragen und versuche diese zu beantworten.

Wenn ich dann am Ende angekommen bin, bitte ich jemanden (meist ein Elternteil oder eine/n Freund/in), den Prüfer zu spielen und mich abzufragen, allerdings ohne irgendwelche groben Vorgaben zu geben oder etwas besonders spezifisches zu fragen. Er/sie spricht einfach ein Teilkapitel an und ich versuche, den gesamten relevanten Stoff des Kapitels aktiv abzurufen und wiederzugeben. Falls ich dann hier etwas auslasse, kann der “Prüfer” noch einmal nachfragen, ob ich dazu auch etwas weiß. Meistens weiß ich dazu dann auch etwas, aber falls ich hier dann hänge, weiß ich, was ich noch lernen oder verbessern muss. Dann bitte ich den Prüfer nach dem erneuten Lernen noch einmal, mich darüber zu fragen. Sobald das auch geschafft ist, weiß ich, dass ich für die echte Prüfung perfekt vorbereitet bin.

Funktioniert das wirklich?

In einer Studie aus dem Jahre 2011 wurde überprüft, wie effektiv das aktive Abrufen für Lernzwecke wirklich ist. Dafür wurden die teilnehmenden Schüler in vier Gruppen unterteilt, die alle die Aufgabe erhielten, denselben Stoff zu lernen und dann einen Test zu diesem vorgegebenen Stoff zu schreiben. Die erste Gruppe sollte dabei den Stoff nur einmal lesen, die zweite Gruppe viermal und die dritte sollte den Stoff einmal lesen und dann eine Mind-Map gestalten. Die vierte Gruppe sollte den Stoff ebenfalls nur einmal lesen und bekam die Zusatzanweisung, nach dem Lesen soviel des Materials wie möglich abzurufen.

Anschließend wurden zwei Tests durchgeführt – einer, bei dem die Schüler das gelernte möglichst exakt wiedergeben sollten und einer, in denen Konzepte des gelernten Stoffs abgefragt wurden. In beiden Tests hat die vierte Gruppe signifikant besser abgeschnitten als die restlichen Gruppen.

Was diese Studie im Endeffekt zeigt, ist erstens, dass Lesen allein nicht reicht, und zweitens: Der Scheiß funktioniert! Und zwar besser als alles andere. Es festigt nicht nur das Material, sondern gibt einem bei erfolgreichem Abrufen noch ein gutes Gefühl mit, was meiner Meinung nach nicht unterschätzt werden darf. Denn wenn man weiß, dass man den Stoff kann, ist man vor der Prüfung gelassener und selbstsicherer, was einen direkten Einfluss auf die tatsächliche spätere Performance hat.

Der Mythos des Zusammenfassens

In meinem Umfeld kenne ich einige, die beim Lernen darauf schwören, den kompletten Stoff zusammenzufassen und behaupten oft, sie würden sich alleine durchs Schreiben des Materials dasselbe merken. Dieses Argument ist ein gängiger Irrglaube, da nur tatsächliche Wiederholung wirklich effektive Lernerfolge produziert. Dies wird von diesem 2013 erschienen Paper unterstrichen. Es zeigt unter anderem, dass Zusammenfassen als Lernmethode zwar einen gewissen Nutzen haben kann, aber nur dann, wenn der Anwender bereits eine hohe Kompetenz bezgüglich Stoffzusammenfassungen aufweist – und selbst dann ist der Konnex zwischen der Methode und dem Nutzen (noch) nicht klar ersichtlich.

Es darf nicht leicht sein

Ganz wichtig zu verstehen ist bei dieser Lernweise, dass man nicht in den Glauben verfällt, dass das Lernen von nun an wie von Zauberhand geschieht. Der Punkt dieser Methode ist, dass es kognitiv gesehen schwer sein sollte, diese Informationen abzurufen. Und das sollte auch niemanden überraschen, denn wenn es einfach wäre, dann bräuchten wir es nicht lernen. Man sollte sich quasi mental richtig anstrengen müssen, um den Stoff abrufen zu können, denn dann festigt sich das Gelernte am Besten. Im Fitnessstudio würde man bei einer solchen Herangehensweise vom 1-RM, dem One-Repetition-Maximum (oder zu Deutsch dem Einwiederholungsmaximum), sprechen.

Wenn man dann merken sollte, dass das Abrufen der selben Informationen leichter wird, dann weiß man, dass man den Stoff nun besser gefestigt hat und in der Prüfungssituation eher abrufen kann.

Mögliche Vorgehensweisen und Methoden

Wie kann man Active Recall nun in der Praxis am besten anwenden? Oben habe ich bereits berichtet, wie ich es meistens mache, aber hier noch ein paar andere Vorschläge:

  • Fragen stellen: Sowohl vor als auch nach dem Lernen prüfungsähnliche Fragen zum Thema stellen und dann nach dem Lernen beantworten. Diese Fragen sollten aber nicht so eins zu eins im Stoff enthalten sein – man sollte eher gelernte Konzepte abrufen als exakte Worte, da in der Prüfung auch die Kompetenz geprüft wird, diese Konzepte anzuwenden
  • Die Kindermethode: Versuche beim Abrufen, den Stoff, den du abrufst, so zu erklären, dass es auch ein Kind versteht. Je leichter und einfacher du das Material herüberbringen kannst, desto besser verstehst du es selbst. Albert Einstein hat einmal gesagt: “Wenn du es nicht einfach erklären kannst, dann verstehst du es nicht gut genug.”
  • Flashcards: Diese Methode ist, soweit ich weiß, vor allem unter angehenden Medizinstudenten sehr beliebt. Das Konzept ist simpel und genial: Man beschriftet die Karten auf der einen Seite mit dem gefragten Stoffteil oder Thema und die andere mit der Erklärung oder gefragten Informationen und weiteren Elaborationen. Die mischt man beim Lernen und geht sie nach der Reihe durch. Nach Belieben kann man sie dann auch in verschiedene Stapel einteilen, je nachdem, wie gut man im jeweiligen Gebiet bereits ist.

Fazit

Active Recall ist die Hauptmethode, mit der ich während meiner Schulzeit und für die Matura gelernt habe und mit der ich auch im Studium weiterhin lernen werde und funktioniert wissenschaftlich erwiesenermaßen besser als das simple Lesen oder Zusammenfassen von Stoffgebieten. Es darf dabei aber nicht außer Acht gelassen werden, dass es eine kognitive Anstrengung mit sich bringen sollte, um messbare Lernergebnisse zu erhalten.

Wenn ihr euch beim Lernen für Tests oder Schularbeiten schwer tut, dann probiert es mal mit Active Recall. Glaubt mir, bei richtiger Anwendung wirkt diese Methode wahre Wunder!

Danke fürs Lesen! Tut mir leid, dass jetzt länger kein Post kam, ich bin gerade noch in einer Findungsphase, wie ich den Blog am Besten führe und gestalte. Zur zweiten Lernmethode, die ich erwähnt habe, kommt natürlich auch noch ein Artikel – wahrscheinlich schon in Kürze, ich will nichts versprechen.

In Zukunft werden evtl. häufiger auch mal kürzere Einträge kommen, da ich für die weniger Zeit brauche oder weil manche Gedanken, die ich teilen möchte, auch einfach nicht besonders lang sind oder viele Wörter brauchen. Falls ihr aber wirklich nicht genug von mir kriegen könnt, ich versuche meine Gedanken sowie Arbeitsfortschritte und -erfolge täglich auf Twitter zu posten, um den Schreibfluss nie wirklich zu unterbrechen.

Ich freue mich schon, wenn wir uns wiederlesen! Und nicht vergessen: Eine gute Reise braucht kein Ziel.

Bis dahin,

Clemens

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